Die Soziologie hat in den nur rund 100 Jahren ihres Bestehens zahlreiche Theorien hervorgebracht. Dieses Buch gliedert die bis heute verwendeten Ansätze systematisch, ohne die "klassischen" Autoren aus den Augen zu verlieren. Vier Paradigmen - Handlungstheorien, Systemtheorien, Kritische Theorien und Verbindungstheorien - geben dem Lehrbuch seinen Rahmen. Innerhalb dieser Theorie-blöcke kommen die Großen der Soziologie von Weber bis Giddens zur Sprache.
If one had to discern a center of gravity in Bruno Latour's voluminous and multi-layered work, one could find it in the question of the political. At first glance, this may seem unexpected. After all, it is only with his decidedly political texts since the turn of the millennium that many have become aware of the political dimension of his work. Yet, Latour's most recent work leaves no doubt that there is no way around the topic of politics (anymore) in the discussion of his writings in general. Given the death of Bruno Latour on October 9, 2022, this genuinely political dimension of his work will be re-examined in the following. In doing so, I would like to address some strands of Latour's political sociology while emphasizing that he is to be understood as a political sociologist through and through – and not just in passing.
Sammelrezension zu: Michel Foucault: Die Strafgesellschaft: Vorlesungen am Collège de France 1972-1973, Übers. von Andrea Hemminger, hrsg. von Bernard E. Harcourt. Berlin: Suhrkamp 2015. 978-3-518-58621-1.+++Michel Foucault: Die Macht der Psychiatrie: Vorlesungen am Collège de France 1973-1974. Übers. von Claudia Brede-Konersmann und Jürgen Schröder, hrsg. von Jacques Lagrange. Frankfurt am Main: Suhrkamp 2005. 978-3-518-58445-3
Das Verhältnis von soziologischer Theorie und Wissenschaftsforschung erscheint im Rahmen der gängigen Sortierungslogiken der Soziologie zunächst als eines zwischen allgemeiner und spezieller Soziologie. Diskussionen um den Beitrag der Science Studies in der oder für die Soziologie beziehen sich demzufolge auf das generelle Problem, wie die Erforschung eines Teilbereichs für die Erkenntnis von Gesellschaft insgesamt fruchtbar gemacht werden kann. Unterlegt sind dieser Beschreibung in der Regel differenzierungstheoretische Annahmen, mit denen schließlich davor gewarnt werden kann, einen Teilbereich von Gesellschaft absolut zu setzen (vgl. ex. Luhmann 1987: 554, 2009: 98ff.). Mit Rücksicht auf dieses Problem ist es daher sinnvoll, die Fragerichtung ein Stück weit zu verschieben und zunächst nach Einfluss- und Überschneidungspunkten oder Wirkungen der Wissenschaftsforschung auf die soziologische Theorie im Allgemeinen zu fragen. Hiervon ausgehend geht es mir im Folgenden darum, die Frage des Verhältnisses von Wissenschaftsforschung und soziologischer Theorie, die im Zentrum dieser Ad-hoc-Gruppe steht, am Fall zu diskutieren, nämlich an Bruno Latour. Von allen Protagonisten der Science Studies eignet er sich hierfür am besten, weil er die weitreichendsten Konsequenzen aus der Beschäftigung mit den Wissenschaften gezogen hat. In einem ersten Schritt werde ich kurz auf die Entwicklung der Wissenschaftssoziologie seit den 1960er Jahren zu sprechen kommen, um Latours Position hierin situieren und von anderen Positionen abgrenzen zu können. Dadurch wird es möglich sein zentrales Argument zu skizzieren: nämlich dass die soziologische Forschung im Labor selbst zum Problem wird und gezwungen ist, ihre sozialtheoretischen Prämissen zu überdenken. Um den Beitrag Latours im Detail diskutieren zu können und mehrfach formulierten Einwänden zu begegnen, beziehe ich seine Arbeiten anschließend auf die in der soziologischen Theorie verbreitete Unterscheidung von Sozial- und Gesellschaftstheorie. Da die Annahme des Scheiterns der Soziologie im Labor, die sich als Startpunkt seines gesamten Werkes begreifen lässt, auch noch das neue und umfangreiche Projekt der Erforschung von Existenzweisen motiviert, schließe ich mit einer kurzen Schilderung der dortigen Begründung einer Sonderstellung der Wissenschaften in der Moderne, bevor diese Diskussion abschließend mit der Ausgangsfrage zusammengeführt wird. Dabei geht es auch darum, auf eine Kritik an Latour zu antworten, die genau an diesem Fall der Beziehung zwischen Wissenschaftsforschung und soziologischer Theorie ansetzt und behauptet, dass Latour (letztlich in all seinen Arbeiten nach seiner frühen Laborstudie (Latour/Woolgar 1986) aus den 1970er Jahren) zentrale Kategorienfehler begeht, die auf der Ebene der Theorie in Unterkomplexität und auf der Ebene der Politik in eine fatale Expertokratie münden (vgl. Lindemann 2008, 2009a, 2011b). Beide Behauptungen gehen gleichermaßen an Latours Werk vorbei, sind aber nur hinreichend zu adressieren, wenn man die zentralen Argumente in der Beziehung zwischen Wissenschaftsforschung und soziologischer Theorie rekonstruiert.
Im vorliegenden Beitrag wird versucht, die kulturtheoretischen bzw. psychoanalytischen Ansätze zur Rolle des Imaginären bei der Gemeinschaftsbildung sowie jene philosophisch-ontologischen Positionen, die bislang parallel zueinander diskutiert wurden, miteinander zu verbinden. Die Überlegungen verfolgen ein doppeltes Forschungsinteresse: einerseits das einer soziologischen und politischen Befragung gegenwärtiger Gemeinschaftskonzepte und andererseits eine Relektüre von Jacques Lacan und Michel Foucault aus feministischer Perspektive, in der es um die Analyse von Macht und deren Praktiken, wie beispielsweise Diskursgesellschaften und Regime der Sichtbarkeit, geht. Vor diesem Hintergrund gliedert sich der Beitrag in fünf inhaltliche Abschnitte, in denen verschiedene Akzentuierungen zum Tragen kommen. Um die beiden Paradigmen miteinander konfrontieren zu können, wird zunächst die Debatte um den imaginären Anteil von Gemeinschaften skizziert, bevor sich die Autoren genauer mit der Position von Jean-Luc Nancy auseinandersetzen. Hierbei geht es zunächst um deren programmatische und philosophische Grundausrichtung, von der ausgehend die Frage nach dem Stellenwert des Politischen in diesem Konzept diskutiert wird. Der Beitrag schließt mit einigen Reflexionen zur Aktualität des Imaginären in Gemeinschaftskonstruktionen. (ICI2)
Obwohl sich der Konstruktivismus seit den 1960er-Jahren zu einem festen Bestandteil der Sozial- und Kulturwissenschaften entwickelt hat, häufen sich seit einigen Jahren die Einwände gegenüber diesem Forschungs- und Theorieprogramm. Trotz unterschiedlicher Motive und Stoßrichtungen gilt vielerorts Bruno Latour als ein zentraler Referenzpunkt dieser Kritik – und wird wahlweise zum Hoffnungsträger einer ›postkonstruktivistischen‹ Erneuerung des Konstruktivismus stilisiert oder als Symptom einer zunehmenden Entleerung dieses Forschungsprogramms begriffen.Vor dem Hintergrund der immer noch schwierigen Rezeption Latours erkundet der Autor systematisch dessen Werk. Konträr zur bisherigen Diskussion konzentriert er sich dabei vor allem auf die Grundlegung seines Ansatzes in den frühen wissenschaftssoziologischen Arbeiten sowie die jüngst publizierten Texte rund um die Erforschung der verschiedenen Existenzweisen. Er begreift den Konstruktivismus nicht nur als einen zentralen Schlüssel zum Gesamtwerk Latours, sondern auch als geeigneten Einsatzpunkt für eine systematische Verortung der Akteur-Netzwerk-Theorie in der bestehenden Soziologie.Um diese Ziele zu erreichen, verfolgt das Buch zwei Aufgaben: zum einen geht es um eine Beschäftigung mit der Geschichte und Kontur des Konstruktivismus in der Soziologie, in der schließlich drei Positionen – Berger/Luckmann, Luhmann und Foucault – als Varianten einer paradigmatischen Theoriesprache in einen systematischen Diskussionszusammenhang gebracht werden. Und zum anderen geht es um eine Auseinandersetzung mit der Begründung sowie den Problemen der Grenzen der sozialtheoretischen Annahmen Latours, die sich nicht zuletzt mit der Radikalisierung des konstruktivistischen Ansatzes stellen.Das Buch ist daher sowohl ein Beitrag zur allgemeinen Konstruktivismusdiskussion in den Sozial- und Kulturwissenschaften wie auch zu den aktuellen Versuchen der Erweiterung der Akteur-Netzwerk-Theorie Latours